Wir dürfen Jesus ruhig bewundern. Denn er zeigt uns Entwicklungsziele, die unseren Horizont erweitern. Schauen wir doch diese vier Schritte nochmals an, in denen es immer darum geht, uns von dem freizumachen, was uns schadet.
Die Wahrheit wird uns freimachen. Auch wenn die Wahrheit manchmal schmerzhaft ist, sie ist besser als jede Lüge. Wenn die Wahrheit für alle offen da ist, können wir vergeben. Vergebung wird uns freimachen. Wer dieses Geheimnis entdeckt hat weiss: Wer vergibt, hat mehr vom Leben. Denn die Vergebung führt zur Versöhnung. Versöhnung macht uns frei, auf andere Menschen zuzugehen, mit ihnen weiterzugehen. Versöhnung macht uns frei für neue Erfahrungen, für neues Denken, für neue Wege. Und auf keinem Boden kann Liebe so gut gedeihen, wie auf dem Fundament der Versöhnung. Liebe, die auf dieser Grundlage wächst, macht uns frei, andere zu lieben. So wie Jesus uns geliebt hat.
Menschliche Vorbilder dürfen Fehler und Schwächen zeigen. Perfekten Menschen fehlt es an Fehlern. Menschen müssen nicht perfekt sein, sondern echt und ehrlich. Wir brauchen Vorbilder, die uns nichts vorspielen. Menschen, die transparent, berechenbar und glaubwürdig leben. Prof. Dr. Margrit Stamm, Direktorin des Forschungsinstituts Swiss Education, fasst dies wunderbar zusammen: «Ein wirkliches Vorbild taugt mehr als zig gute Vorsätze, die sich häufig ohnehin nicht bewähren und selten lange halten.» Schon der römische Philosoph Seneca hat gesagt, dass die Menschen den Augen mehr trauen als den Ohren und Vorbilder deshalb den Weg zum Ziel verkürzen. Oder wie es Søren Kierkegaard gesagt hat: «Christus will keine Bewunderer, sondern Nachfolger.»
Am 15. Januar 2009 konnten die Medien von einem Mann berichten, der weltweit zum Helden wurde. Chesley Burnett Sullenberger (Sully) landete seinen Airbus A320-214 auf dem Hudson River. Kanadagänse flogen in die Triebwerke und zwangen den Piloten zur Notwasserung. Bei dieser Landung verlor kein einziger Passagier sein Leben. Clint Eastwood verfilmte dieses Ereignis und dem Zuschauer wird bewusst, dass hier ein Mensch mit starker Ethik auch in Notsituationen richtig handelte. Er verhielt sich vorbildlich. Nachdem seine Kabinencrew, die ebenfalls vorbildlich agierte, alle Passagiere evakuiert hatte, ging er zweimal durch das sinkende Flugzeug, um sicher zu sein, dass kein Mensch mehr an Bord war. So verliess er als letzter das Flugzeug. Eine Frau, klitschnass vom kalten Wasser, bedankte sich noch an der Unglücksstelle für diese Rettung. Seine Antwort: «Keine Ursache.» Diese Antwort war typisch für diesen Helden. Während die Bilder dieser Notlandung um die Welt gingen, wollte er nur eines nicht – ein Held sein. Held oder nicht – vor zehn Jahren war er ein Leuchtturm, der durch seine Art, innerlich geprägt durch seine Werte, Menschen vor dem sicheren Tod rettete.
Acht Monate später sass Sully wieder im Cockpit eines A320. Wieder startete er von LaGuardia (New York) aus. An seiner Seite sass wieder der Erste Offizier, Jeffrey Skiles. Und auch der Fluglotse, Patrick Harten, hatte wieder Dienst. Sullenberger war es ein Anliegen, gemeinsam diesen Flug zu starten. «Ich wollte den damals begonnenen Flug gemeinsam mit den gleichen Leuten zusammen zu Ende bringen.» Es gab sogar einige Passagiere, die ebenfalls wieder mit an Bord waren.
«Man muss kein Held sein», meinte Sully, und bestimmt hat er sich nie als ein solcher wahrgenommen. Aber für viele hatte sein Handeln die Ausstrahlungskraft eines Leuchtturms. Ein Vorbild, über dessen Handeln und Agieren bestimmt viele nachdenken. Oder auch nicht! Denn fast auf den Tag genau drei Jahre später zeigte Francesco Schettino, der Kapitän der Costa Concordia, wie Menschen sich verhalten, die keinen inneren Ehrenkodex kennen. Dies zeigt, dass Helden nicht von einem Tag auf den anderen geboren werden. Helden sind das Resultat ihres Wertesystems. Und diese Charaktere sind die Leuchttürme unserer Zeit.
Text + Fotografie © Verena Birchler